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Hitler-Stalin-Pakt

Der Hitler-Stalin-Pakt ist in der Sowjetunion und in vielen ihrer Nachfolgestaaten als Molotow-Ribbentrop-Pakt bezeichnet worden. Die Bezeichnung Molotow-Ribbentrop-Pakt geht auf seine Unterzeichner zurück: den deutschen Außenminister Joachim von Ribbentrop und den Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten der Sowjetunion, Wjatscheslaw Molotow. Geläufig ist auch die Bezeichnung deutsch-sowjetischer-Nichtangriffspakt. In der UdSSR und im heutigen Russland wird nur seine offizielle Benennung „Nichtangriffsvertrag zwischen Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken“ akzeptiert und verwendet. Dieses bilaterale Abkommen wird am 23. August 1939 unterzeichnet, neun Tage vor dem Angriff des nationalsozialistischen Deutschlands auf Polen und dem damit einhergehenden Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. In den Zwischenkriegszeit ist der Abschluss von bilateralen Nichtangriffsverträgen keine Besonderheit in Europa.  

Laut dem offiziellen und veröffentlichten Vertragstext wollen beide Parteien auf gegenseitige Angriffe verzichten, keine feindlichen Allianzen eingehen und im Falle einer Kriegserklärung durch einen dritten Staat neutral bleiben. Dies nimmt Hitler die Sorge vor einer zweiten Front mit der UdSSR beim schon seit April 1939 geplanten Überfall auf Polen. Laut der in der UdSSR und in Russland traditionell verbreiteten Interpretation, bekam Stalin durch den Vertrag Zeit, sein Land auf einen Krieg mit Deutschland vorzubereiten; in Wirklichkeit wollte er aber auch die Grenzen des 1917 zerfallenen Russischen Imperiums schnellstmöglich wiederherstellen.  

Den wesentlichen Zweck des Vertrags aber hält das geheime Zusatzprotokoll „für den Fall einer territorial-politischen Umgestaltung“ Polens und des östlichen Europas fest. Es ist eine eindeutige Erklärung über die Teilung und Annexion von Staaten, die im August 1939 noch unabhängig sind, bald darauf jedoch vom nationalsozialistischen Deutschland und der stalinistischen UdSSR militärisch besetzt werden. Der östliche Teil Polens, Lettland, Estland, Finnland, Bessarabien werden der sowjetischen Einflusssphäre zugerechnet; Litauen, der westliche und zentrale Teil Polens der deutschen. Das Original dieses Protokolls wird erst 1993 in Russland veröffentlicht, obwohl bald nach Kriegsende eine Fotokopie des Dokuments aus deutschen Archiven kursiert. Die UdSSR bestritt deren Echtheit.  

Nach dem Einmarsch der Roten Armee in ostpolnische Gebiete am 17. September 1939 und der Teilung Polens zwischen der Sowjetunion und Deutschland, werden diese Gebiete an die Ukraine und Belarus, die damals Teil der UdSSR sind, als Westukraine und Westbelarus angeschlossen. Am 28. September unterzeichnen Deutschland und Sowjetunion einen Freundschafts- und Grenzvertrag mit weiteren geheimen Zusatzprotokollen, was die vollständige Aufteilung Polens, aber auch der baltischen Staaten und anderer Gebiete im östlichen Europa festlegt (Änderungen betreffen vor allem das Gebiet Litauens: die Region Vilnius, bis dahin Teil Polens, wird Litauen zugeschlagen). In dieser Zeit und bis zum deutschen Angriff auf die UdSSR am 22. Juni 1941 arbeiten das sowjetische und das nationalsozialistische Regime zusammen.  

Parallel zu der Annexion Polens stellt die UdSSR im September und Oktober 1939 Ultimaten an Lettland, Estland und Litauen und erzwingt von diesen Ländern Verträge, die eine Stationierung sowjetischer Truppen auf ihrem Gebiet ermöglichen. Nach Abschluss dieser Verträge stationiert die UdSSR Truppen in Lettland, Estland und Litauen.  Die Staaten behalten aber ihre formale Unabhängigkeit noch bis Juni 1940 bei. Der sowjetisch-finnische Krieg 1939–40 ist zwar für die Rote Armee von militärischen Rückschlägen und großen Verlusten gekennzeichnet, führt aber dennoch zum Anschluss der Karelischen Landenge, Inseln des Finnischen Meerbusens und eines Teils der Nordpolarmeerküste zur UdSSR. Als dies abgeschlossen ist, wird im Verlauf des Jahres 1940 die Annexion der baltischen Staaten, d. h. ihre Eingliederung in die UdSSR, abgeschlossen. Parallel dazu überschreiten sowjetische Truppen nach einem Ultimatum die Grenze zu Rumänien. Die UdSSR verleibt sich Bessarabien ein, wobei sie auf diesem Territorium die Moldavische Sowjetrepublik gründet. Ein anderer Teil Rumäniens, die nördliche Bukowina, wird an die sowjetische Ukraine angeschlossen. Damit erreicht Stalin beinahe die Grenzen des Russischen Reiches von 1917. Bis zum deutschen Angriff am 22. Juni 1941 setzt die UdSSR in allen völkerrechtswidrig annektierten Gebieten eine gewaltsame Politik der Russifizierung und Sowjetisierung um, einschließlich massenhafter Repressionen und Deportationen.