Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald auf dem Gelände des „Kleinen Lagers“ an einem Junisonntag 1944, als keine SS-Wachen anwesend waren. Der Fotograf war ein Buchenwald-Gefangener, Fotograf: Georges Angéli, Archiv der Gedenkstätte Buchenwald.
In Konzentrationslagern isolierte und vernichtete das nationalsozialistische Regime seine Feinde. Daher kamen Menschen in Konzentrationslager, die als politische Gegner, sog. „Volksfeinde“, Angehörige von Widerstandsgruppen, kriminelle Verbrecher, und „asoziale Elemente“ galten sowie ethnischen und religiösen Gruppen wie Juden, Sinti und Roma u. a. angehörten. Kriegsgefangene fielen ursprünglich nicht darunter.
Jedoch durchliefen mehr als 100.000 sowjetische Kriegsgefangene das System der Konzentrationslager, in die sie aus vier Hauptgründen kamen:
- In den Stalags und Arbeitskommandos suchten Gestapobeamte mit Hilfe der Wehrmacht unter sowjetischen Kriegsgefangenen nach Mitgliedern der kommunistischen Partei und Politoffizieren, Soldaten jüdischer Herkunft und allen, die als „gefährliche Elemente“ galten. Diese Menschen wurden „ausgesondert“, verloren ihren Kriegsgefangenenstatus und nach der Überführung in ein Konzentrationslager hingerichtet. So starben mindestens 33.000 Menschen.
- Ab Herbst 1941 war der Einsatz sowjetischer Kriegsgefangener zur Zwangsarbeit offiziell erlaubt. Zu diesem Zweck wurden mindestens 25.000 Kriegsgefangene als sog. „Arbeitsrussen“ in Konzentrationslager überführt. Sie wurden dort in Kriegsgefangenenlagern innerhalb der KZ untergebracht, getrennt von anderen Häftlingen. Auch in dieser Gruppe starb die Mehrzahl der Gefangenen, vor allem an Unterernährung und unerträglichen Lebensbedingungen.
- Die größte der drei Gruppen mit mindestens 42.000 Personen waren Kriegsgefangene, die seit 1942 massenweise als reguläre Gefangene in Konzentrationslager kamen, etwa nach fehlgeschlagenen Fluchtversuchen, Beteiligung an Widerstandsaktivitäten, Arbeitsverweigerung oder vermeintlich begangenen Straftaten. Die Wehrmacht entzog ihnen den Status von Kriegsgefangenen und übergab sie der SS in die Konzentrationslager. Mit der Verschlechterung der Lage für deutsche Truppen an der Ostfront, wuchs in Deutschland der Bedarf an Arbeitskräften. Die SS benutzte Kriegsgefangene, denen der Status aberkannt wurde, in ihren eigenen Fabriken und schickte sie auch an andere Rüstungs- und Wirtschaftsbetriebe sowie zivile Unternehmen.
- Der Mangel an Arbeitskräften war auch ein wesentlicher Grund, weshalb die Wehrmacht ab 1943 gefangengenommenen Rotarmistinnen den Status von Kriegsgefangenen entzog. Die Frauen wurden anschließend an Arbeitsämter überstellt. Kriegsgefangene wurden zu Zwangsarbeiterinnen gemacht. Wenn Frauen sich weigerten, den Kombattantenstatus abzulegen oder Zwangsarbeit zu leisten, wurden sie in Konzentrationslager überführt. Ab 1944 betrachtete die Wehrmacht weibliche Kriegsgefangene als „politisch unzuverlässig“ und übergab sie direkt an die SS, worauf sie in Konzentrationslager kamen.
Eine andere Kategorie von sowjetischen Bürgern, die in Konzentrationslager kamen, waren sog. „Ostarbeiter“, d. h. Zivilbevölkerung aus den besetzten sowjetischen Gebieten, die zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert wurde. Die meisten von ihnen waren Kinder und Jugendliche sowie junge Frauen, da die überwiegende Mehrheit der erwachsenen Männer in die sowjetische Armee einberufen wurden. Sie kamen in Konzentrationslager in der Regel in Folge eines Konflikts am Arbeitsplatz, häufig auch nach einem fehlgeschlagenen Fluchtversuch, Diebstahl, Arbeitsverweigerung oder Sabotage.
Verfasser: Sergej Bondarenko
Literatur:
Kozlova, Daria: Sowjetische Kriegsgefangene in den Konzentrationslagern, in: Blank, Margot und Babette Quinkert (Hg.): “Dimensionen eines Verbrechens. Sowjetische Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg”. Katalog zur Sonderausstellung anlässlich des 80. Jahrestages des Überfalls auf die Sowjetunion, Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst, 18. Juni – 3. Oktober 2021, Berlin: Metropol Verlag, 2021.
Otto, Reinhard und Rolf Keller: Sowjetische Kriegsgefangene im System der Konzentrationslager, (= Mauthausen-Studien, 14), Wien, Hamburg: new academic press, 2019.