Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück
Das Konzentrationslager Ravensbrück wurde speziell für die Inhaftierung von Frauen errichtet und existierte von Mai 1939 bis Ende April 1945. Ravensbrück liegt ca. 80 Kilometer nördlich von Berlin am Rande der Stadt Fürstenberg an der Havel (Brandenburg). Die Lage des Dorfes Ravensbrück begünstigte den Bau eines Konzentrationslagers: Es gab eine nahe Bahnverbindung, es lag in der Nähe von Autobahnen und war durch den See und die ausgedehnten Wälder natürlich isoliert.

Postkarte Fürstenberg in Mecklenburg, Blick über den Baalensee auf die Stadt Fürstenberg um 1942, Mahn‑ und Gedenkstätte Ravensbrück.
Im Frühjahr 1939 wurden die ersten weiblichen Häftlinge aus dem Konzentrationslager Lichtenburg nach Ravensbrück verlegt. Im April 1941 wurde direkt in Ravensbrück ein kleineres, separates Lager für Männer gebaut. Seit Beginn des Zweiten Weltkriegs wuchs die Zahl der Häftlinge stetig. Zwischen 1939–1945 verdoppelte sich das Gebiet des Frauenlagers. In sechs Jahren waren rund 120.000 Frauen und Kinder aus mehr als 30 Staaten sowie etwa 20.000 Männer im Konzentrationslager Ravensbrück.
Polinnen stellten die größte nationale Gruppe im Frauenlager. Gefangene aus der Sowjetunion bildeten die zweitgrößte Gruppe. Ungefähr 70.000 Häftlinge waren politische Gefangene. Im Lager wurden auch etwa 5.700 sogenannte „asoziale“ Frauen (darunter waren auch homosexuelle Frauen) und 1.100 wegen Straftaten Verurteilte inhaftiert. Eine weitere Gruppe bildeten 800 Zeuginnen Jehovas. Mehr als 16.000 Jüdinnen wurden ins Frauen-Konzentrationslager verschleppt, was ca. 13% der Gefangenen ausmachte. Rund 2800 Sinti und Roma-Frauen und -Kinder sind nach den Nürnberger «Rassegesetzen» nach Ravensbrück gebracht worden. Laut erhalten gebliebenen Gefangenenlisten gab es in Ravensbrück 881 Kinder im Alter von zwei bis sechzehn Jahren.

Ansicht vom Barackenlager von der Kommandantur mit Lagerstraße 1, SS -Album des Frauen-KZ Ravensbrück, Mahn‑ und Gedenkstätte Ravensbrück.
Innerhalb der Lagermauern errichtete das SS-Unternehmen „Texled“ einen „Industriehof“ für vermeintlich „traditionell weibliche“ Tätigkeiten wie Nähen, Weben und Flechten. Zum Lagerkomplex gehörten Werkstätten von „Siemens und Halske“, wo Relais für Telefone, Schalter, Radiogeräte für U-Boote und Einzelteile für V-2-Raketen hergestellt wurden. Bis 1945 arbeiteten in der Fabrik etwa 2400 Gefangene. Im Jahr 1944 entstanden neben den Werkshallen Wohnbaracken. Im ganzen Reich wurden über 40 Außenlager errichtet, in die Häftlinge aus Ravensbrück zur Arbeit in der Militärindustrie verlegt wurden.

Im Vordergrund ist das Männerlager des KZ Ravensbrück mit Baracken zu sehen, im Hintergrund der Industriehof des Frauenlagers im Juni 1945, Mahn‑ und Gedenkstätte Ravensbrück.
Zehntausende Gefangene wurden getötet und starben an Hunger, Krankheiten oder in Folge von medizinischen Experimenten. Seit 1941 wurden in Ravensbrück Erschießungen durchgeführt. Die genaue Zahl der auf diese Weise hingerichteten Frauen ist nicht bekannt. Im Rahmen der Operation „14f13“ tötete die SS in der NS-Tötungsanstalt Bernburg (Sachsen-Anhalt) etwa 1600 Gefangene, die als arbeitsunfähig galten, etwa die Hälfte davon waren Jüdinnen. Anfang 1945 richtete die SS eine provisorische Gaskammer neben dem Lager-Krematorium ein. Vom Ende Januar bis April 1945 wurden hier zwischen 5.000 und 6.000 Häftlinge mit Gas vergiftet.
Im April 1945 ordnete Chef der SS, Heinrich Himmler, dem Lagerkommandant Fritz Suhren die Evakuierung des Lagers an: Mehr als 20.000 im Lager verbliebene Häftlinge mussten in mehreren Kolonnen zu Fuß nach Nordwesten marschieren. Später wurde dieses Ereignis als „Todesmarsch“ bezeichnet, weil dabei viele Gefangene getötet wurden oder an Erschöpfung starben. Am 30. April 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrationslager Ravensbrück, in dem bis dahin rund 2000 Kranke verblieben waren.
Das ehemalige Lagergelände 1945–1994 wurde von der sowjetischen Armee und, nach dem Zerfall der Sowjetunion, von den Streitkräften der GUS genutzt. Davon ausgenommen war das Ufer des Schwedtsees. Seit 1948 versuchten ehemalige Häftlinge, das Gebiet um das Krematorium zu einem Denkmal zu erklären. Im September 1959 wurde die „Nationale Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück“ als eine von drei nationalen KZ-Gedenkstätten in der DDR eröffnet. Sie umfasste ehemalige Lagerbauten außerhalb der Mauern: das Krematorium und das ehemalige Lagergefängnis sowie einen Teil der Lagermauer, an der Überreste verstorbener Gefangener beigesetzt wurden. Im selben Jahr wurde das erste Museum im ehemaligen Gefängnisgebäude eingerichtet. Es sammelte Erinnerungsobjekte ehemaliger Gefangener aus verschiedenen Ländern. 17 Kammern des ehemaligen Lagergefängnisses waren als nationale Gedenkräume konzipiert. 1984 wurde im Gebäude der ehemaligen SS-Kommandantur das „Museum des antifaschistischen Widerstandskampfes“ mit einer Dauerausstellung eröffnet. Im Rahmen der Rekonstruktion in den 1990er Jahren wurde sie durch zwei neue Dauerausstellungen ersetzt.
Nach der Vereinigung Deutschlands wurde die Gedenkstätte 1993 Teil der Stiftung Brandenburger Gedenkstätten. 2002 wurde in den ehemaligen SS-Aufseherinnen-Häusern die Internationale Jugendbegegnungsstätte Ravensbrück als Ort für historisch-politische Bildung eröffnet.
Die Grundlage der Biografien von ehemaligen Ravensbrücker KZ-Gefangenen in diesem Projekt bilden Interviews aus der Sammlung der Regisseurin und Dozentin für Filmproduktion und Mediengestaltung Loretta Waltz, die zwischen 1980 und 2010 aufgezeichnet wurden. Weitere Quellen waren Memoiren von Antonina Nikiforowa: „Eine Geschichte über Kampf und Freundschaft“, „Das darf sich nicht wiederholen“, sowie ein Sammelband mit Erinnerungen von ehemaligen sowjetischen Gefangenen von Ravensbrück: „Sie besiegten den Tod“.
Literatur:
Beßmann, Alyn, Insa Eschebach (Hg.): Das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Geschichte und Erinnerung, Berlin 2013.
Strebel, Bernhard: Das KZ Ravensbrück. Geschichte eines Lagerkomplexes, Paderborn 2003.
Аристов Станислав: Жизнь вопреки. Стратегии выживания нацистского женского концентрационного лагеря Равенсбрюк (1939-1945 гг.). М.: Ваш домъ, 2012.