Zwangskollektivierung der Landwirtschaft
Ab 1927 vereinigten sowjetische Behörden im Rahmen der Kollektivierung private Bauernwirtschaften zu kollektiven Landwirtschaftsbetrieben, sog. Kolchosen und Sowchosen (kollektiven und gemeinschaftlichen Landwirtschaftsbetrieben). Dies erfolgte oft unter Zwang.
Beim Beitritt zur Kolchose mussten die Bauern nicht nur das Land und das Saatgut, sondern auch das gesamte Vieh und Geflügel zur gemeinschaftlichen Nutzung abgeben. Für ihre Arbeit in der Kolchose erhielten sie kein Geld, sondern sogenannte „Arbeitstage“. Dafür bekamen sie anschließend eine geringe Menge an Lebensmitteln, die sie zuvor selbst produziert hatten. Die Bauern durften nicht für sich selbst arbeiten und das Dorf frei verlassen. Deshalb wirkte die Kollektivierung wie die Wiederbelebung der Leibeigenschaft. Vielerorts leisteten die Bauern dagegen Widerstand: Sie schlachteten Vieh, versteckten Getreide, beschädigten Istrumente und töteten oftmals Aktivisten der Kollektivierung.
Die Kollektivierung erfolgte in der Sowjetunion zwischen 1928–1937, aber wesentliche Prozesse, einschließlich der Entkulakisierung, d. h. Vernichtung und Vertreibung von wohlhabenden Bauern (sog. Kulaken), entfiel auf die Jahre 1929–1930. In Gebieten, die ab 1939 sowjetisch besetzt und der Sowjetunion angeschlossen wurden, erfolgte die Kollektivierung mit selben Zielen und brutalen Methoden bis 1950.
Die Kollektivierung führte zur Deportation von etwa 2.000.000 Menschen in entlegene Gebiete der Sowjetunion, weitere 2.500.000 Menschen wurden innerhalb der Heimatregion umgesiedelt. Mindestens 500.000 Bauern starben in Folge der Deportationen, und zwischen 5 – 9.000.000 Menschen starben an Hunger, in Folge der Zwangskollektivierung.
Die Hauptgründe für die Kollektivierung bildeten sowohl wirtschaftliche als auch ideologische Dogmen des stalinistischen Regimes. Die sowjetische Führung plante, die Staatswirtschaft in den Städten zu industrialisieren. Dafür sollten Städte mit Lebensmitteln aus dem ländlichen Raum versorgt werden. Stalin nahm an, dass kollektive Landwirtschaftsbetriebe einfacher mit Technik versorgt werden könnten, und die Pläne für die Produktion von Getreide und anderen Lebensmitteln so besser erreicht werden könnten. Große Betriebe, mit engagierten kommunistischen Parteifunktionären an der Spitze, konnten einfacher verwaltet und dort produzierte Lebensmittel leichter abgeführt werden. Diese Pläne wurden jedoch durch Aufstände, Massenreprressionen, der Hungersnot 1932–1933 und Produktionsrückgängen gestört.
Auch ideologische Gründe spielten für die kommunistische Führung eine Rolle. Sowjetische Machthaber nahmen an, dass Bauern im Gegensatz zum Proletariat, d. h. Arbeiter:innen, auf die sich die Bolschewiki stützten, eine vermeintlich rückständige Privateigentumsmentalität hätten. Deshalb sollte jegliches Privateigentum beseitigt werden.