Minderjährige Lagergefangene und Zwangsarbeiter:innen
Kinderspielplatz im Reichbahngemeinschaftslager Eggarten, vermutlich Frühjahr/ Sommer 1944. Das Foto entstammt einem Album der Lagerleitung, das vermutlich propagandistischen Zwecken diente, Fotograf unbekannt, Museum Berlin-Karlshorst.
Unter sowjetischen Zwangsarbeiter:innen und Häftlingen nationalsozialistischer Lager gab es eine große Zahl von Minderjährigen, d. h. Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren.
Kleine Kinder gerieten zusammen mit ihren Eltern, Bekannten und Verwandten in Gefangenschaft. Auch Schwangere und junge Mütter mit Säuglingen wurden zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert. Wegen der mangelnden Grundversorgung während der Zwangsarbeit war die Sterblichkeit von kleinen Kindern sehr hoch. Außerdem galten für Mütter die gleichen Arbeitsnormen und die medizinische Versorgung war unzureichend.
Minderjährige Jugendliche zwischen 14 – 18 Jahren, und ab 1943 bereits ab 10 Jahren, wurden in großer Zahl nach Deutschland gebracht, wo sie als vollwertige Arbeiter in der Landwirtschaft und Industrie eingesetzt wurden. Kinder unter 14 Jahren arbeiteten vier Stunden am Tag. In einigen Fällen arbeiteten Kinder ab sieben Jahren als Putzkräfte oder etwa als Hilfskräfte in Küchen.
Kinder und Jugendliche konnten auch in sog. „Arbeitserziehungslager“ oder Konzentrationslager und sogar in Kriegsgefangenenlager gesteckt werden.
In einigen Fällen wurden Kinder und Jugendliche medizinischen Experimenten unterzogen und zur Blutentnahme gezwungen. Manche Kinder wurden „germanisiert“ und von deutschen Familien adoptiert, wenn sie den rassistischen, nationalsozialistischen Vorstellungen entsprechend blond und blauäugig waren.
Da kleine Kinder in Lagern und in der Gefangenschaft nicht registriert wurden, liegen zu jugendlichen Gefangenen keine genauen Statistiken vor.
Die Geschichten ehemaliger minderjähriger Lagergefangener und Zwangsarbeiter:innen waren in der Erinnerungskultur in Deutschland und in den postsowjetischen Staaten lange Zeit nicht präsent. In den 1990er Jahren wurden internationale und nationale Verbände ehemaliger minderjähriger Gefangener des Faschismus gegründet. Sie forderten für ihre Mitglieder Rechte ein. Dank ihrer Arbeit wurden z. B. Vergünstigungen, die in Russland Teilnehmern des „Großen Vaterländischen Krieges“ gewährt werden, auch auf bestimmte Gruppen von ehemals minderjährigen Opfern ausgeweitet.
Verfasserin: Vera Yarilina