„Eines Tages hatte ich Glück und ich bekam eine Arbeit. Aber sie war sowohl körperlich als auch psychisch unerträglich.“
Portrait von Maxim Tebenko, Fotograf: Alexander Tschekmenew, © Kontakte-Контакты e. V.
Maxim Wassiljewitsch Tebenko (geb. 1916)* war ein sowjetischer Kriegsgefangener.
Maxim wurde im Mai 1916 im ukrainischen Dorf Tychonowytschi im Tschernihiwer Gebiet geboren. Er stammte aus einer bäuerlichen Familie und arbeitete schon als Kind in der Kolchose. 1939 absolvierte er die landwirtschaftliche Fachschule und setzte seine Ausbildung zum Landwirt fort. Im Herbst desselben Jahres wurde er zur Roten Armee eingezogen.
Nach dem Angriff des nationalsozialistischen Deutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 diente Maxim im Artillerieregiment 448 in Kaunas (heute Litauen). Bereits am 28. Juni 1941 geriet er in der Nähe der Stadt Memel (heute Klaipėda, Litauen) in deutsche Kriegsgefangenschaft. Er wurde ins Stalag I-A bei Preußisch Eylau (heute Bagrationowsk, Kaliningrader Gebiet, Russland) geschickt. Die Lebensbedingungen im Lager waren laut Maxim unmenschlich: Die Aufseher warfen das Getreide vom Lastwagen direkt auf die Erde und beobachteten lächelnd, wie die hungrigen Gefangenen einander zu Tode trampelten, um zum Essen zu gelangen. Danach wurden die Gefangenen mit Knüppeln geschlagen. Außerdem mussten sie auf Befehl Güterwaggons entladen, und wenn den Aufsehern etwas missfiel, wurde der „Schuldige“ an einen Hydranten gebunden, aus dem eiskaltes Wasser strömte. In diesem Lager arbeitete Maxim als Grabausheber für verstorbene Häftlinge, was er als Glücksfall ansah. Meistens bekamen Häftlinge ohne Arbeit, keine Verpflegung und starben schnell, so dass jede Arbeit zum Überleben beitrug:
"Eines Tages hatte ich Glück und ich bekam eine Arbeit. Aber sie war sowohl körperlich als auch psychisch unerträglich. Wir wurden gezwungen, Gräber für Kameraden auszuheben, die an Hunger, Kälte und Schlägen gestorben waren. Am schlimmsten war, dass wir sie dort begraben mussten. Täglich starben 100 Häftlinge."
Im Winter 1941 wurde Maxim in ein Kriegsgefangenenlager in Ebenrode (heute Nesterow, Kaliningrader Gebiet, Russland) verlegt, wo er als Tischler in einer Möbelfabrik arbeitete. Die Fabrik war auf Herstellung von Spielzeugen und Musikinstrumenten spezialisiert. Seine vor dem Krieg erworbenen Fähigkeiten halfen Maxim, im Lager zu überleben:
„Dass ich überlebt habe, verdanke ich als ausgebildeter Schneider meiner Schneiderkunst. Eines Tages fand ich in einem Müllhaufen auf dem Fabrikgelände den oberen Teil einer Nähmaschine. Die Kameraden schmuggelten sie unbemerkt ins Lager, und ich versuchte sie zum Laufen zu bringen. Leider fehlte dort ein Webschützen. Dann bastelte ich selbst mit einem Hobel ein Holzmodell. Nach diesem Modell wurde in der Fabrik ein Webschützen aus Metall gefertigt. Schließlich lief die Maschine wieder. Ich fing an, nachts Kleidung zu reparieren und Flicken aufzusetzen. Dadurch half ich meinen Kameraden beim Überleben. Eines Nachts hörte der deutsche Aufseher das Nähmaschinengeräusch. Als man erfuhr, dass ich ein Schneider bin, wurde ich beauftragt, die Kleidung der Gefangenen zu reparieren.“
Nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in Deutschland trieben deutsche Wachkommandos die Kriegsgefangenen im Januar 1945 nach Westen, ins Landesinnere. Bei Einbruch der Dunkelheit wurden sie in Scheunen gesteckt und dort bis zum Morgen festgehalten. In der Nähe von Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern) ist Maxim mit einem Mitgefangenen geflohen:
„Als wir in der Nähe von Neubrandenburg waren, passte ich mit meinem Kameraden einen Moment ab, um in ein Rohr unter der Asphaltstraße zu klettern. Glücklicherweise passierten bereits am nächsten Tag sowjetische Truppen diesen Ort. So wurde ich befreit.“
Nach dem Krieg kehrte Maxim nach Tychonowytschi zurück, heiratete und beteiligte sich am Wiederaufbau des Dorfes, zuvor brannten deutsche Truppen es vollständig nieder, zerstörten die Gebäude, raubten das Vieh. Später zog er mit seiner Frau nach Tschernihiw (Ukraine) um.
* Der letzte vorliegende Brief von Maxim Tebenko ist auf 4. März 2005 datiert.
Verfasser: Boris Romanow
Quelle: Brief von Maxim Tebenko an den Verein „Kontakte-Контакты e. V.“ vom 4.03.2005, Archiv des Museums Berlin-Karlshorst.
