Filtration
Die Filtration war während und nach dem Zweiten Weltkrieg eine spezielle Überprüfung sowjetischer Behörden von sowjetischen Bürgern, die sich aus unterschiedlichen Gründen im feindlich besetzten Gebiet, aber auch in Deutschland oder mit ihr verbündeten Staaten befanden. Die gesetzliche Grundlage für die Filtration wurde im Dezember 1941, bald nach dem Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion geschaffen. Das sowjetische Inlandsministerium schuf spezielle Lager, um Rotarmist:innen zu überprüfen, die in deutscher Gefangenschaft oder Einkesselung gewesen waren. Diese Lager wurden 1944 an die Hauptlagerverwaltung (Gulag) überstellt. Ab März 1945 hießen sie „Überprüfungs- und Filtrationslager“, aber ihre Hauptaufgabe blieb dieselbe: sowjetische Bürger auf eine vermeintliche Zusammenarbeit mit dem Feind zu überprüfen. Die gleiche Aufgabe erfüllten mobile „Sammel- und Transferstellen“ auf Armee- und Frontebene, die ab 1944 hauptsächlich repatriierte Zivilist:innen, ehemalige sowjetische Zwnagsarbeiter:innen (sog. „Ostarbeiter“) überprüften. Schon bald konnten diese „Sammel- und Transferstellen“ die starke Zunahme der Rapatriant:innen nicht mehr bewältigen. Darauf errichtete das sowjetische Inlandsministerium im Herbst 1944 in Grenznähe zusätzliche „Kontroll- und Passierstellen“ sowie „Kontroll- und Filtrationspunkte“. Kommissionen, die an diesen Orten Repatriant:innen überprüften, bestanden aus Vertretern des sowjetischen Innenministeriums, des Inlandsgeheimdienstes und der militärischen Spionageabwehr «SMERSCH».
Die Überprüfung zog sich oft über eineinhalb bis zwei Monate und bestand aus mehreren Etappen. Zunächst wurden persönliche Daten von zivilen Repatriant:innen und Militärangehörigen mit Fahndungslisten des Inlandsministeriums und der des «SMERSCH» abgeglichen. Es fand eine erste Vernehmung unter Einbeziehung von Zeugen statt, die die Schuld der überprüften Person beweisen oder widerlegen sollten. Im Anschluss an diese Etappe konnten ehemalige Rotarmisten wieder in die Armee einberufen werden, um beispielsweise bei den Truppen in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands oder in Arbeitsbataillonen zu dienen. Einige erwartete die zweite Etappe der Filtration, die eine kleinteilige Überprüfung in Speziallagern des sowjetischen Inlandsministeriums oder eine Verhaftung bedeutete. Fallabhängig folgte eine dritte Etappe. Sie umfasste die Rekrutierung durch sowjetische Sicherheitsbehörden sowie Anfragen am Wohnort der Repatriant:innen in der Sowjetunion. In jedem Fall führten lokale Filtrationskommissionen nach der Heimkehr eine weitere Überprüfung durch. Erst nach ihrer Beendigung konnten die Repatriant:innen einen Pass beantragen. Die Filtration nahm einen repressiven Charakter an, der Aufenthalt einer Person oder ihrer Familienmitglieder im deutsch besetzten Gebiet oder im Ausland beeinflusste jahrzehntelang ihre Studien- und Arbeitsmöglichkeiten. Rund 5,5 Millionen Menschen wurden zwischen 1944–1946 wurden der Filtration unterzogen.