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Portrait von Michail Monak, Fotograf unbekannt, Privatbesitz Michail Monak, KZ-Gedenkstätte Buchenwald.

Michail Stepanowitsch Monak (1919–2015) war Konzentrationslager-Gefangener.

 

Michail Monak wurde 1919 in eine große und wohlhabende Familie im Dorf Semeschawa (Region Minsk, Belarus) geboren. Kurz nach dem Einmarsch in die Sowjetunion besetzte die deutsche Wehrmacht das Dorf. Monak begann in der Dorfschule als Lehrer für die belarusische Sprache zu arbeiten. Im Sommer 1942 schloss er sich dank der Vermittlung des Schuldirektors einer sowjetischen Partisaneneinheit an. Er arbeitete als Buchhalter in einer Getreidebeschaffungsstelle und übermittelte an die sowjetische Armee Informationen über deutsche Waren- und Truppenbewegungen. Zwei Jahre später wurde die Partisaneneinheit infolge einer fehlgeschlagenen Operation besiegt. Im April 1944 wurden Monak und der größte Teil seiner Familie, darunter auch seine eineinhalbjährige Tochter, verhaftet und in das Gefängnis in Slutsk (Belarus) und anschließend in ein Lager in Minsk (Belarus) gebracht.

Die Verhaftung, die Verlegung ins Gefängnis und die Verhöre unter Folter wurden von Polizeibeamten durchgeführt, die aus der örtlichen Bevölkerung rekrutiert wurden. Einige von ihnen waren Dorfgenossen der Partisanen. So erinnerte sich Monak an die ersten Tage seiner Verhaftung:

„Die Verhöre dauerten vierzehn Tage. Es ist mir unmöglich, die Folterungen und teuflischen Erfindungen zu beschreiben, zu denen die Vernehmungsbeamten griffen. (…) Aber wer hat verhaftet? Wer hat verhört? Die Deutschen? Nein, unsere eigenen Polizisten. Einer von ihnen war Alexej Rymscha, ein Klassenkamerad von mir, mit dem ich meinen Schulabschluss in Semeschawa gemacht habe. Sein Bruder war in der Roten Armee, während die Polizisten ihre Arbeit an den Opfern wirklich zu genießen schienen.“

1945 wurde der Polizist Alexej Rymscha von einem sowjetischen Gericht zu Tode verurteilt und hingerichtet. Nach dem Krieg lebten die Familie Rymscha und die Familie Monak jedoch weiterhin in Semeschawa nebeneinander.

Geläufige Bezeichnung für die sowjetische Armee. Kurzform für Rote Arbeiterund Bauern-Armee, wie die Landstreitkräfte zunächst in der Russischen Föderativen Sozialistischen Sowjetrepublik (1918–1922) und später in der Sowjetunion (1922–1946) genannt wurden. Ab 1946 hießen sie offiziell sowjetische Armee.

Aus Belarus wurde Michail Monak Ende Mai 1944 ins NS-Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau (heute Oświęcim, Polen) verbracht. An die erste Szene, die er dort sah, erinnert er sich folgendermaßen:

„Wir wurden ausgeladen, man stellte uns auf und führte uns in eine Baracke (…). Wir standen da und waren an den schweren Geruch von brennendem Menschenfleisch nicht gewöhnt. Und plötzlich… öffnete sich ein hohes Tor, aus dem SS-Männer mit Gasmasken heraustreten, und wenige Minuten später fährt ein Lastwagen mit toten nackten Frauenkörpern in Richtung Krematorium. Mehrere Frauen aus unserer Gruppe fielen in Ohnmacht, einige versuchten laut zu weinen, aber SS-Leute stürmten sofort auf uns zu und verprügelten uns mit Schlagstöcken.“

 

Michail Monak wurde als „russischer Zivilarbeiter“ mit der Haftnummer 188220 registriert (die ihn für den Rest seines Lebens begleitete) und musste in Auschwitz im Arbeitskommando der Kanalisation schwere körperliche Zwangsarbeit leisten.

Da sich die sowjetischen Truppen bereits Auschwitz näherten, sollte Michail im Sommer 1944 mit anderen Kriegsgefangenen zur weiteren Verteilung ins Konzentrationslager Neuengamme (Hamburg) deportiert werden. Nach Monaks Erinnerungen wurde er aufgrund des Platzmangels im KZ-Neuengamme vorübergehend in ein Bremer Gefängnis (Niedersachsen) verlegt, wo er auf weitere Zuweisung wartete. Am 11.11.1944 wurde das Gefängnis von Alliierten bombardiert. Michail Monak überlebte und konnte fliehen. Er erinnerte sich an die Hilfe einer aus der Sowjetunion deportierten Zwangsarbeiterin, die ihn vor einer SS-Patrouille warnte. Michail wurde von einer Streife bald erneut verhaftet und über die eintätowierte Nummer auf seinem Arm identifiziert, die er in Auschwitz bekam. Nach seiner Verhaftung wurde er nach Neuengamme zurückgebracht.

Laut erhalten gebliebenen Unterlagen wurde Monak kurz nach der erneuten Verhaftung von Neuengamme in das Buchenwalder KZ-Außenlager Langensalza (Thüringen) transportiert, wohin geflohene KZ-Häftlinge gebracht wurden. Er kam dort am 18.11.1944 an und erhielt die Nummer 99327 sowie die Kategorien „politischer Russe“ und „fluchtgefährdet“. Deshalb musste er an seiner Lagerkleidung einen Aufnäher in Form eines speziellen roten Kreises mit Punkt tragen.

Am 31.12.1945 wurde Michail Monak in das Konzentrationslager Mittelbau-Dora (Thüringen) verlegt, wo er wegen eines Fluchtversuchs zum Tode durch Erhängen verurteilt wurde. Die Hinrichtung fand jedoch nie statt. Monak selbst erinnert sich an den Tag der bevorstehenden Hinrichtung folgendermaßen:

„Zum nächsten Tag, dem 9. April 1945, wurde meine Nummer aufgerufen. Dies bedeutete eine baldige Hinrichtung. Am Morgen wurden wir in eine Baracke geführt, an der die Aufschrift ‚Kantine‘ stand. Das war ein Isolationsgebäude für die Vorbereitung von Menschen auf ihre Hinrichtung. Die Nacht verging wie ein Albtraum. Um 18.00 Uhr kamen SS-Leute, riefen Nummern von 20 Personen aus, stellten sie an die Wand und fesselten allen die Hände. Sie steckten jedem einen Stock in den Mund, banden Schnüre an die Enden des Stocks und verknoteten sie am Hinterkopf, so dass es unmöglich war, zu sprechen.
Jeder [der Häftlinge] verabschiedete sich von seinem Nachbar, sie legten sich gegenseitig Köpfe an die Schultern, einige von ihnen weinten. SS-Männer stellten sich in Zwei Reihen vor unserer Baracke auf und bildeten einen Korridor. Es wurden zwei Reihen von Häftlingen gebildet: eine Reihe mit Menschen, die heute hingerichtet werden sollten, und eine zweite, der die Hinrichtung später bevorstand. Die Reihen standen sich gegenüber, und in diesen Momenten des Abschieds flüsterte jeder der zum Tode Verurteilten seine letzten Worte. Vor mir stand ein Pole mit einer Schlinge um den Hals, und er sprach und weinte: ‚Niech żyje Polska radzecka! Niech żyje!‘ (poln. Es lebe sowjetisches Polen! Es lebe!) Mit diesen Worten starben sie.“
"Sie brachten uns, fassungslos wie wir waren, wieder in die Kaserne, und niemand wollte etwas essen. Verzweiflung und Kummer ertränkten jeden von uns. Ich weinte und wiederholte die Worte: ‚Herr, errette und erbarme dich, hilf, die letzten Qualen und Leiden zu ertragen!‘. In der Kaserne blieben noch 70 Personen. Wer ist morgen dran? Morgens um 6.00 Uhr war das Radio still, und plötzlich verkündete es, dass jeder aus unserer Baracke Decken, eine Schüssel und einen Löffel nehmen und die Baracke verlassen sollte. Ich konnte nicht glauben, dass etwas passierte. Als ich auf den Platz ging, tauchte ich in die Menschenmenge. Alle sagten: Die Stadt Nordhausen ist befreit, wir sind frei. Wir schauten in Richtung der Stadt, es rauchte, aber niemand eilte uns zu Hilfe."

Die Häftlinge von Mittelbau-Dora, darunter Michail Monak, wurden in Eile in das Konzentrationslager Bergen-Belsen (Niedersachsen) verlegt. Viele starben auf dem Transport. Monak verbrachte nur einen Tag in Bergen-Belsen, am nächsten Morgen wurde das Lager von amerikanischen Truppen befreit. Nach der Befreiung wurde Michail in die Sowjetarmee eingezogen und erlebte das Kriegsende in Bleicherode (Thüringen). Danach nahm er an der Entminung von militärischen Anlagen teil, darunter auch in Mittelbau-Dora. Am 9. Oktober 1945 wurde Monak demobilisiert und kehrte nach Minsk zurück. All seine Familienmitglieder – seine Mutter, seine Frau, seine Schwestern, sein Bruder und seine Tochter – überlebten ebenfalls Verhaftungen und Konzentrationslager, kehrten aber ins Heimatdorf Semeschawa zurück.

Nach seiner Rückkehr in die Sowjetunion nahm Michail Monak eine Stelle als Schullehrer in Minsk an. Er teilte offen seine Erinnerungen an die Zeit in Deutschland, ohne sich der möglichen Konsequenzen bewusst zu sein. Ein halbes Jahr nach Arbeitsbeginn denunzierte ihn ein Kollege, möglicherweise aus Neid oder Angst, beim sowjetischen Geheimdienst. Dabei beschuldigte er Monak der Kollaboration und der Manipulation mit Lebensmittelkarten während des Krieges. Als Reaktion auf die Anschuldigungen initiierte Monak eine Diskussion dieses Vorfalls im Lehrerrat der Schule, wo er überraschenderweise die Unterstützung seiner Kolleg:innen erhielt. Diese Unterstützung trug zur Einstellung der strafrechtlichen Verfolgung bei, jedoch verlor Monak einen Teil der ihm zustehenden Vergünstigungen für seine Beteiligung an der Partisanenbewegung.

In der Folgezeit sprach Monak oft über sein Leben und versuchte, die Erinnerung an seine gefallenen Kameraden wachzuhalten. Er besuchte Deutschland mehrmals. Im Jahr 2015 verstarb er im Alter von 94 Jahren an Altersschwäche.

SS ist die Abkürzung von „Schutzstaffel“, die ab 1925 als Leibwache von Adolf Hitler fungierten, jedoch bald darauf die Funktion der „Parteipolizei“ der NSDAP. Die Mitglieder dieser national-sozialistischen Organisation galten als „rassische Elite“ und begingen zahlreiche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der SS oblag die Verwaltung und Bewachung der Konzentrationslager, sie führte die Massenvernichtung der Juden während des Zweiten Weltkriegs – dieser Prozess wird heute als Shoah bezeichnet – und anderer Volksgruppen durch.

Before
After
...

Verfasser: Andrei Petropavlov

Quellen:

Monak, Michail: Mein Name ist Erinnerung: Sammlung von Briefen, autobiografischen Artikeln und Erinnerungen von Michail Monak. Archiv der KZ-Gedenkstätte Buchenwald.

Arolsen-Archive. „Akte von MONAK, MICHAEL, geboren am 04.04.1919.“ Arolsen-Archive, ohne Datum.

Monak, Michail Stepanowitsch: Wospominanija [Erinnerungen], in: Lager smerti Oswenzim: zhiwyje swidetelstwa Belarusi [Das Todeslager Auschwitz: Lebendige Zeugnisse aus Belarus], hg. v.: Borisova, A. W., Kosak, K. I., Stutschinskaja, G. L.; Minsk, 2012, S. 303.

 

 

Eine vorübergehende Unterkunft, die aus Holz oder Steinen und ohne Wärmedämmung oder Sanitäreinrichtungen aufgebaut wurde. Gefangene von Konzentrationslagern sowie Kriegsgefangene, lebten in vielen Fällen in solchen Baracken.